John Fogerty und seine Band Creedence Clearwater Revival sind Klassiker der Rockmusik. Nach 37 Jahren vergeblicher Bemühungen traf unser Autor seinen Star endlich zum Gespräch.
Ihn zu treffen war nicht leicht. Recht lange mussten wir warten. John Fogerty gibt ja kaum Interviews. Also schrieben wir einen Brief und erzählten ein bisschen von jenseits des Eisernen Vorhangs. Wir schrieben von der kleinen Kupferstadt am Harz und vom Westradio, das 1970 unermüdlich CCR−Hits über die Grenze blies.
Die Kupferstadt. Hoch über ihr ragte die Halde, davor der Schacht. Das Rad des Förderturms seilte die Männer der Stadt neunhundert Meter tief ins Erz. Dort brachen sie den Berg, und der Berg brach sie. Jahrein, jahraus spulte das Rad Symbole eines Lebens, das Trost in der Erschöpfung fand, im Suff, im Schlaf.
Gegen diesen schicksalhaften Kreislauf kannten wir ein Stopp: Rockmusik. Das Unerhörte gegen das Immergleiche. Das Verbotene gegen die Ideologie, und Jung gegen Alt. Mit Kreide−Graffiti verschönten wir die Mauern der Stadt: The Who, Ten Years After, Cream. Überall CCR: Creedence Clearwater Revival. Die Stimme, das Herz der Band hieß John Fogerty.
Der größte CCR−Fan der Klasse war Ulrich, ein harter Junge, kurze Lunte, rasche Faust. Eines Morgens kam Ulrich nicht zur Schule. Sein Vater war tot. Man hatte ihn im Rosariumsteich gefunden. Um die Leiche schwamm das Schwanenpaar. Nach zwei Tagen erschien Ulrich, grinsend, fest. Seltsam, für immer verbindet sich mir diese Geschichte mit CCR. Lookin' Out My Back Door, das war Ulrichs Song.
Sunday Never Comes handelt von E. und davon, wie das Vertrauen zerbricht. Die Mississippi−Hymne ProudMary fühlt sich an wie der Sommer 1973: Du sitzt verlassen an der Oder und schaust den polnischen Schleppern hinterdrein. Bad Moon Rising haben Generationen von DDR−Volksarmisten als Abschied von Schnaps und geilen Weibern gegrölt. Die Kleinstadt−Hymne Lodi erklärte Peter Handke zu seinem Lieblingslied. John Fogertys Songs erschaffen ein globales Universum der Provinz. Für Millionen Menschen sind sie Drei−Minuten−Soundtracks ihres Lebens.
Auch John Fogerty war mal in der DDR, für einen Tag. Via Checkpoint Charlie überschritt er mit seinen Creedence−Kameraden den Nullmeridian des Kalten Kriegs. Gruselig, sagt er. Überall Soldaten, Uniformen, und dazwischen wir jungen Rock 'n' Roller. Ein Offizier bestieg unseren Bus, Spürhunde beschnüffelten alles. Ostberliner Einzelheiten erinnert Fogerty nicht mehr, nur Farbe und Stimmung: grau. Das war am 22. April 1970, an Lenins Geburtstag. Fogerty lacht: I guess Lenin was not amused.
Gut sieht er aus, sehr vital in Jeans und dem berühmten blau karierten Baumwollhemd. Sein volles dunkles Haar ist genauso ungefärbt wie das von Gerhard Schröder. Wir treten ans Fenster der Hotelsuite. Unten fließt träge der Strom und passiert Dresdens Prunk−Panorama. Hell schwebt die Kuppel der auferstandenen Frauenkirche. Was ist dem Mann der Ort? Was weiß dieser Amerikaner über jene Nacht im Februar 1945, als hier sogar das Wasser brannte?
Wie heißt der Fluss?, fragt Fogerty.
Das ist die Elbe.
Elbe, sagt Fogerty. Elbe.
Zu den Absurditäten der Rockgeschichte gehört John Fogertys Auftritt 1969 in Woodstock. CCR waren als Hauptattraktion des nachmals bedeutendsten Rockfestivals aller Zeiten gebucht. Sie spielten dort auch, bloß weiß es kaum einer. Im Woodstock−Film und auf den Livealben ist ihr Auftritt nicht enthalten. Nur die Jubiläumsbox von 1994 dokumentiert vier Songs von CCR.
Ähnlich den englischen Who hatten Creedence zu viel Klassenbewusstsein, um von Woodstocks egalitärer Romantik betört zu werden. Woodstock war Chaos und Schlamm, sagt Fogerty. Wir sollten nach den Grateful Dead auf die Bühne, laut Plan abends um zehn, aber alles verspätete sich um drei, vier Stunden. Und man bedenke: die Grateful Dead. Hippies. Die brauchten nach der Begrüßung erst mal zwanzig Minuten, um ihre Instrumente zu stimmen, weil sie so stoned waren, dass sie keine Verstärkerbuchse fanden. Dann spielten sie eine halbe Stunde. Dann brach ihre Anlage zusammen. Dann wurde geflickt. Dann spielten sie noch eine Stunde, alles schlief ein. Als wir kamen, war es sehr, sehr, sehr, sehr spät. Wir spielten für eine halbe Million schlafender Hippies.
John, du warst kein Hippie.
Offensichtlich nicht.
Aber doch gegen den Vietnamkrieg, für Bürgerrechte, gegen repressive Autorität.
Ja, politisch und philosophisch war ich mittendrin. Ich mochte die Kraft der Revolution: wie die baby boomers für sich selbst einstanden. Bis dahin hatte sich das Rebellische des Rock n Roll nur sublimiert geäußert.
Warum warst du kein Hippie?
Nun, ich glaube auch an harte Arbeit, an gute Vorbereitung und daran, dass man sein Bestes geben soll. Meine Eltern waren lower middle class, zu diesen Werten stehe ich bis heute.
Er erzählt von der Kindheit in El Cerrito, nahe Berkeley. Die Mutter habe Musik geliebt, ihm Platten vorgespielt, mit ihm Konzerte besucht: Joan Baez, Sam Hinton, das Kingston Trio, Pete Seeger. Ich halte Pete Seeger für den größten Entertainer aller Zeiten, sagt Fogerty. Wie er da auf der Bühne stand nur er mit dem Banjo. Der Kommunist, so hieß er in der McCarthy−Ära. Als unamerikanisch wurde er beschimpft. Das kenne ich, wie alle, die gegen den Irakkrieg sprechen.
John Fogerty, geboren 1945, hatte vier Brüder. Vier Jahre älter war Tom, der 1959 The Blue Velvets gründete, die dann The Golliwogs hießen und von 1968 an CCR. Dass ihn der hochbegabte kleine Bruder übertraf, hat Tom Fogerty akzeptiert, aber nicht leicht verwunden. 1971 verließ er die Band, die Ende 1972 im Streit zerfiel. Wer alles wissen will, lese John Fogerty und das Drama Creedence Clearwater Revival von Mark und Rüdiger Bloemke. 1990 starb Tom Fogerty, offiziell an Tuberkulose.
In der kalifornischen Hippie−Boheme wirkten John Fogerty und CCR wie Cousins vom Lande. Ihre Bodenständigkeit kontrastierte mit der Flower−Power−Utopie. Drogen− und Groupie−Exzesse unterblieben. Heute redet Fogerty sehr mokant über urban music: Rap und Hip−Hop diskriminierten Frauen und verherrlichten Gewalt. Ikonen der Gegenkultur waren Creedence nie. Im Wesen blieben sie eine weiße Tanzband, plebejisch, elementar, radiotauglich, traditionsbewusst. Im Zeitalter der Konzeptalben veröffentlichten sie Singles. Statt Kollektiv−Improvisationen boten sie Ohrwürmer. Ihre fabelhaften ersten sechs Alben sind Hitkollektionen.
Auch Messianismus, Bewusstseinserweiterung und sonstige Sportarten der Rock−Egomanie zählten nicht zum CCR−Repertoire. Man vergleiche John Fogertys energischen Biedersinn mit Mick Jaggers gockelnder Transsexualität. Man denke sich aus Fogertys Mund Jim Morrisons Brüller: We want the world and we want it NOOOOW!!! Fogerty, allzeit der Erde treu, sang vom Mond, vom Wind und immer wieder vom Regen. Wholl Stop The Rain? das meinte den Vietnamkrieg, das liebten sie alle, die peaceniks wie die Bomberpiloten. Fogerty selbst, der Fortunate Son, zog damals ein Freilos in der Reservisten−Lotterie. Ein Lebensglück, bis heute.
John, es gibt viele Naturmetaphern in deinen Songs. Ist das Fatalismus?
Ich kämpfe für sozialen Fortschritt, sagt Fogerty. Andererseits weiß ich, dass die Dinge bleiben, wie sie sind. Der Mächtige versklavt den Machtlosen. Und Gott, die Welt, die Elemente sind viel größer als wir. Wir sind sehr unwichtig, verglichen mit dem Wind und dem Regen.
Und woher kamen die Bilder des amerikanischen Südens? Cotton Fields, der Green River Mississippi, Born On The Bayou, das beschreibt eine Welt, die du gar nicht kanntest.
Einbildung, Traum, sagt Fogerty. Mythen, Musik. Der Blues kommt aus dem Süden, Bo Didley, Muddy Waters, Howlin' Wolf. Der Rock 'n' Roll natürlich, Jerry Lee Lewis, Elvis Presley, Carl Perkins, der noch besser war als Elvis, nur nie so berühmt. In meiner Jugend war Rock 'n' Roll eine Explosion. Vorher gab es Popsongs wie Who stole the Ding−dong, who stole the Bell? und How much ist that little Doggie in the Window?
John, interveniert Frau Julie und weist auf die Uhr.
Diese tollen Schwarz−Weiß−Filme über den Süden, sagt Fogerty. Sumpffieber, wie Walter Brennan als Kommissar versucht, den moonshiner im Bayou zu fassen. Eine Puffotter beißt ihn, der Schwarzbrenner könnte ihn retten, doch dann& Oder Flucht in Ketten, mit Tony Curtis und Sidney Poitier: ein weißer und ein schwarzer Sträfling, aneinandergefesselt auf der Flucht durch die Sümpfe. Sie können nur überleben, wenn sie die Kultur des anderen akzeptieren. Das ist eine wichtige Lehre für einen Zehnjährigen.
John, sagt Frau Julie. John, du hast einen Soundcheck.
Roll on, sagt Fogerty zum Reporter. Die Chefin seufzt und packt.
Jetzt erzählt Fogerty, wie er sich den realen Süden erschloss. Das war spät, 1990. Er flog nach Memphis, mietete ein Auto und ging wochenlang auf Exkursion, als Blues−Tourist und Lehrling der schwarzen Geschichte. Dann stand er am Grabe des Ur−Bluesers Robert Johnson. Und hatte eine Erleuchtung. Und fand sein Glück. Denn er war lange kein glücklicher Mensch.
In ihrer unprominenten Frühzeit hatten CCR einen Knebelvertrag mit Fantasy Records und dessen Besitzer Saul Zaentz abgeschlossen. Damals waren sie froh, dass sie eine Chance bekamen. Sehr bald sah die Sache anders aus. Im Dutzend schrieb John Fogerty Welthits, deren Profit Zaentz zufloss. Aus Frust verschmähte es Fogerty nach dem Aus von CCR siebzehn Jahre lang, seine eigenen Klassiker zu spielen. Eine der großartigsten Rock−'n'−Roll−Stimmen verstummte. Fogerty versackte in Trübsinn und Grübelei.
John, nach dem Ende von Creedence hast du drei echte Soloplatten aufgenommen: 1973 The Blue Ridge Rangers, 1975 John Fogerty, 1985 Centerfield. Du spielst darauf sämtliche Instrumente selbst. Warum?
Um nicht verrückt zu werden. Ein Instrument zu lernen braucht Zeit, das hielt mich beschäftigt. Ich war ein Sklave, ein Kriegsgefangener. Er meint den Krieg mit Saul Zaentz.
Aber dann stand ich am Grab von Robert Johnson, sagt Fogerty. Ich fragte mich: Wem gehören wohl die Rechte an seinen Songs? Irgendeinem Anwalt in New York? Für mich ist das immer Robert Johnsons Musik.
Für mich sind die CCR−Songs immer deine.
Genau das dachte ich plötzlich, sagt Fogerty. Seitdem bin ich wieder mit meinen alten Songs vereint, auch wenn sie mir nicht gehören. Wen kümmert's? Nur mich. Wenn ich wütend bin, verletze ich nur mich selbst.
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